Unser Interviewpartner:
Michael Lorenz ist Geschäftsführer der grow.up. Management GmbH in Gummersbach. Vorher war er langjährig Geschäftsführer und Partner der Kienbaum Management Consultants GmbH und leitete den Geschäftsbereich Human Resources Management. Michael Lorenz berät nationale und internationale Kunden seit 1988 in Fragen der Strategie, der Personalentwicklung und der Management-Diagnostik.
Herr Lorenz, Sie haben bei der Kienbaum Management Consultants GmbH den Human Resources Management Bereich geleitet und mehrere Bücher über das Personalwesen geschrieben. Können Sie Ihren Werdegang kurz skizzieren?
Michael Lorenz: Ich bin als junger Berater ins Haus Kienbaum gekommen und für lange Zeit dort geblieben. Ich habe nach und nach verschiedene Karrierestufen durchlaufen, irgendwann war ich dann Partner der Geschäftsführung und schließlich Geschäftsführer.
Sie selbst haben den Einstieg ins Personalwesen über ein Studium gefunden. Mittlerweile gibt es aber insbesondere für Berufserfahrene zahlreiche Weiterbildungsangebote zum Beispiel zum Personalreferenten IHK oder bSb. Sind solche Weiterbildungen ebenfalls ein geeigneter Weg für eine Karriere im Personalwesen?
Michael Lorenz: Oh ja, natürlich. Meiner Meinung nach muss es nicht immer ein Studium sein. Das Personalwesen hat viele praktische Seiten, viele Elemente, die handwerklich erlernt werden müssen. Ein theoriebasiertes Studium muss nicht unbedingt der richtige und beste Weg sein. Ich halte diverse Weiterbildungsangebote für sehr nützlich und völlig akzeptabel.
Sie sind seit 25 Jahren im Personalwesen tätig. Wie hat sich die Branche in dieser Zeit verändert? Hat sie sich überhaupt verändert? Welche Rolle nehmen Personalreferenten heutzutage in Unternehmen ein?
Michael Lorenz: Aus meiner Sicht sind die Anforderungen im Personalwesen - im Vergleich zu früher - insgesamt komplexer geworden. Es sind zum einen mehr Anforderungen, die an Personalreferenten gestellt werden und zum anderen hat die Breite zugenommen, in der gearbeitet wird. Kunden haben immer höhere und spezifischere Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Sehr spezielle Rekrutierungsbedürfnisse stellen Personalreferenten vor eine Herausforderung. Ihre Dienstleistung muss heutzutage sehr individualisiert und wertig sein. Gleichzeitig wird eine hohe Schnelligkeit und Umsetzung der Dienstleistung erwartet. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass sich Personalreferenten in Unternehmen nicht nur in der Rolle des Dienstleisters sehen, sondern vielmehr in der Rolle des Partners und Beraters. Sie sollten nicht nur ausführen, was der Auftraggeber verlangt, sondern ihm auf Augenhöhe gegenübertreten. Ein Partner und Berater denkt mit, zeigt mögliche Schwierigkeiten auf und gibt hilfreiche Hinweise, damit das Ziel "right man, right place" auch erfüllt werden kann.
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist in aller Munde. Viele Unternehmen beklagen sich darüber, kaum noch geeignete Bewerber zu finden. Der demografische Wandel wird dieses Problem aller Voraussicht nach weiter verschärfen. Wie können sich Unternehmen im Allgemeinen und das Personalwesen im Speziellen auf diese erschwerten Bedingungen einstellen?
Michael Lorenz: Unternehmen müssen zunächst einmal verstehen, dass sie in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels nicht so weitermachen können, wie bisher. Sie müssen sich den veränderten Bedingungen anpassen und aktiv auf diese reagieren. Hier gilt es, bereits in frühen Phasen Personalmarketing zu betreiben, z. B. stärkere Präsenz an Schulen, Hochschulen und Universitäten zu zeigen, um junge Menschen auf das Unternehmen aufmerksam zu machen und diese zu begeistern. Praktika mit Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, ein duales Studium oder ein Traineeprogramm, spezielle Förderungsprogramme mit Partnerschulen und -universitäten, das Angebot Abschlussarbeiten im Unternehmen zu betreuen – dies sind wichtige Faktoren und sehr gute Möglichkeiten, um junge Menschen früh für das Unternehmen zu gewinnen und zu binden. Des Weiteren müssen Unternehmen akzeptieren, mehr in die interne Aus- und Weiterbildung zu investieren, weil weniger geeignete Bewerber auf dem Markt sind.
Ein Umdenken ist auch erforderlich, was die Bewerber-Zielgruppen betrifft. Es gilt, sich anderen bzw. neuen Zielgruppen zuzuwenden, die bis dato vernachlässigt oder nicht in Betracht gezogen wurden. Unternehmen und Personaler müssen überprüfen: "Denken wir an die richtige Zielgruppe? Welche kommen vielleicht noch in Frage?" - z. B. junge Frauen mit Migrationshintergrund. Aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland ist es für Unternehmen wichtig, sich in bestimmten Bereichen stärker international zu orientieren und auch international Mitarbeiter zu rekrutieren. Eine Beschränkung auf Deutschland ist langfristig nicht mehr möglich. Größere Unternehmen setzen eine internationale Rekrutierung bereits um, für viele mittelständische Unternehmen wird dies jedoch eine besondere Herausforderung darstellen.
Apropos Fachkräftemangel. Unternehmen sind heute auch stärker denn je darauf angewiesen, qualifizierte Fachkräfte im Unternehmen zu halten. Das Personalwesen spielt hier eine zentrale Rolle. Wie sieht für Sie gute Mitarbeiterbindung aus?
Michael Lorenz: Um qualifizierte Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden, ist es von zentraler Bedeutung, dass ihnen ausreichend Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen zur Verfügung stehen. Mitarbeiter wollen sich weiterentwickeln, spüren, dass sie vorankommen und nicht in ihrer Entwicklung stehenbleiben. Das Personalwesen hat Einfluss darauf, die Mitarbeiterbindung zu unterstützen, indem sie Führungskräfte-Qualifizierungen in die Wege leitet, in denen eine mitarbeiterorientierte und wertschätzende Führung, wichtige Aspekte der Mitarbeitermotivation, richtig Feedbackgeben etc. vermittelt werden. Die vom Mitarbeiter wahrgenommene fachliche und soziale Kompetenz des Vorgesetzten sowie die empfangene Wertschätzung sind ebenfalls Kriterien, die den Mitarbeiter an die Führungskraft und somit an das Unternehmen binden. Faire und konsistente Gehaltskriterien sind ebenfalls Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter langfristig im Unternehmen bleiben wollen. Außerdem trägt ein gutes Arbeitgeberimage zur Mitarbeiterbindung bei.
Die Personalgewinnung ist nach wie vor eine zentrale Aufgabe des Personalwesens. In den letzten Jahren sind hier zahlreiche neue Konzepte entstanden – von Employer Branding bis Social Media Recruiting. Sind die alten Methoden überholt? Welche neuen Konzepte haben Ihrer Meinung nach besonders viel Potenzial?
Michael Lorenz: Nein, die alten Methoden der Personalgewinnung sind meiner Meinung nach nicht überholt, sie sollten ergänzt werden. Alleine reichen sie in der Regel nicht mehr aus. Social Media Recruiting hat durchaus weiteres Potenzial. Ich halte insbesondere Portale, in denen über Arbeitgeber berichtet werden kann, für geeignet. Aus der Sicht von Mitarbeitern wird auf diese Weise aufgezeigt: "Was ist gut? Was ist nicht gut?" Arbeitgeberbewertungen können abgegeben und gelesen werden. Diese Erfahrungsberichte von Mitarbeitern schaffen eine gute Transparenz für potenzielle neue Mitarbeiter. Das Konzept Employer Branding hat ebenfalls noch Potenzial. Die Markenbildung als Arbeitgeber, sprich das Arbeitgeber-Image, ist insbesondere für mittelständische Unternehmen wichtig, allerdings oft zu teuer. Hier sehe ich noch deutlich Potenzial, das aktuell nicht ausgeschöpft ist.
Wo sehen Sie persönlich für Personalreferenten und Unternehmen die größten Herausforderungen in der immer stärker globalisierten Arbeitswelt? Wie sollte diesen Herausforderungen in der Ausbildung von Nachwuchspersonalern Rechnung getragen werden? Wie stellen Sie sich den idealen Lehrplan eines Personalreferenten vor?
Michael Lorenz: Unternehmen und vor allem Personalreferenten sollten Kenntnis über internationale Personalarbeit haben: Wie läuft es in anderen Ländern und Regionen der Welt? Welche Profile werden gesucht? Über welche Kanäle werden Mitarbeiter rekrutiert? Welche Auswahlverfahren werden auf welche Art und Weise eingesetzt? Nach welchen Kriterien erfolgt die Personalauswahl? Hier gilt das Motto: Wir müssen globalisierter und internationaler arbeiten, um auch internationale Bewerber anzusprechen und für uns zu gewinnen.
Für die Ausbildung von Nachwuchspersonalern bedeutet das die Integration von Praktika oder Hospitationen im Ausland, z. B. in internationalen Partner- oder Tochterunternehmen. Es ist wichtig für Nachwuchspersonaler, auch praktische Erfahrungen in Auslandseinsätzen zu machen. Diese können in unterschiedlicher Tiefe erfolgen. Das fängt bei einem Praktikum oder einer Hospitation an, geht über Job Rotation bis hin zum internationalen Traineeprogramm mit fest integrierten längeren Auslandseinsätzen. In der Ausbildung sollten Nachwuchspersonaler ebenfalls spezielle Schulungen erhalten, in denen sie lernen, welche Aspekte sie berücksichtigen müssen, wenn sie z.B. in China rekrutieren: Wie ist der typische Bewerber in China? Worin unterscheidet er sich im Vergleich zum typischen deutschen Bewerber? Welche Bewerbungs- und Auswahlverfahren ist er gewohnt? Die Besonderheiten der Zielgruppe bzw. der internationalen Bewerber müssen bekannt sein und im Recruiting-Prozess berücksichtigt werden.
Außerdem ist es bedeutsam, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Was sind die unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen an Personaler im Ausland? Insgesamt lässt sich festhalten, dass in die Ausbildung zukünftiger Personaler praktische Erfahrungen im Ausland integriert werden sollten und die Ausbildung zudem an internationale Besonderheiten angepasst werden muss.
Wie schätzen Sie die Zukunftsaussichten im Personalwesen ein? Würden Sie Interessierten raten, eine Karriere als Personalreferent anzustreben?
Michael Lorenz: Oh ja, auf jeden Fall. Das Personalwesen wird zukünftig immer wichtiger werden. Folgende Fragen erhalten für Unternehmen eine immer größere Bedeutung: Haben wir kompetente Leute an Bord? Wie finden wir die richtigen Talente und wie binden wir sie? Personalreferenten, die für die Suche, Auswahl und richtige Platzierung von Mitarbeitern verantwortlich sind, werden immer wertvoller für Unternehmen. Also kann ich nur empfehlen, sich dieser bedeutenden Aufgabe und Herausforderung zu widmen.